Das Herz und die Angst

Posted: 18/09/2010 Related items : ,

Wie die Angst das Herz und den Herzbeutel beeinflusst und unser Sicherheitsgefühl limitiert

Der überwiegende Teil unserer Klienten leidet an einem Ungleichgewicht des autonomen Nervensystems (ANS):
Häufig ist der Sympathikus dominant (Kampf und Flucht), der (jüngere) anteriore Vagus (soziales Nervensystem) eingeschränkt und der („ältere“) dorsale Vagus bringt eher Erstarrung, als Regeneration und Glückseligkeit. Die Regulation des ANS hat im therapeutischen Kontext deshalb eine hohe Priorität.
Für uns bedeutsam zu wissen, dass es mehr Verbindungen vom Herzen zum Nervensystem gibt, als umgekehrt. Früher war man der Meinung, dass das Herz vom Nervensystem reguliert wird, heute weiß man, dass es eher umgekehrt ist: Das Herz reguliert das Nervensystem.

Das Perikard ist der Beschützer des Herzens. In der Arbeit mit unseren Klienten finden wir regelmäßig Irritationen und Verdichtungen des Perikards, die das Herz Fundseine Arbeit erschweren. Wie jede Zelle sich zum Wachsen öffnet und bei Gefahr zusammenzieht, so reagiert auch das Perikard bei einer (vermeintlich) unsicheren Umgebung mit Kontraktion. Je nach Prägung bleibt diese Kontraktion über längere Zeit bestehen, Das Herz hat es dadurch natürlich auch schwerer.

Welche Auswirkungen hat dies nun konkret auf das Nervensystem?

Der Herzbeutel bietet nicht nur physischen Schutz -durch die Gleitfunktion der inneren Herzbeutelschicht und die kollagenen Fasern der äusseren Schicht, sondern auch einen emotionalen Schutz: Der geschulte Therapeut spürt die Verdichtungen durch emotionalen Stress in der Praxis und somanche Klienten/innen kennen das Gefühl in ihrer Brust. Es ist also garnicht immer das Herz, sondern eventuell der Herzbeutel, der primär in Not ist.

Das Perikard schützt das Herz und  ist anatomisch verbunden mit der Brustwand (Sternum), dem Brustfell (Pleura), der Lunge, dem Thymus, der Speiseröhre und Mageneingang, der Luftröhre, der Wirbelsäule, dem Zwerchfell, den großen Blutgefäßen und den Zwerchfellnerven. Ausserdem über Halsfaszien mit der Schilddrüse bis hinauf zur Schädelbasis. Eine wichtige Verbindung geht über die Schlüsselbeinarterie, die bei Stress über die Ansa-subclavia-Schlinge das wichtige Ganglion stellatum aktiviert:

Bei emotionalem Stress zieht sich das Perikard zusammen. Der große Gefäßstamm (Truncus brachiocephalica) zieht nach unten, dadurch zieht die Schlüsselbeinarterie via Ansa subclavia am Ganglion stellatum:

Die Sympathikus-Alarmglocke wird geläutet!

Dieses Signal weckt das gesamte sympathische Nervensystem auf: Den Thalamus, Hypothalamus die Amygdala, das limbische System und den Hirnstamm.

Die gesamte Kampf- und Flucht-Spirale einschließlich HPA-Achse (Hypothalamus-Pituitary-Adrenals = Stressachse) ist aktiviert.

Wir sollten bei Anamnese und Befund unserer Klienten/innen nicht ausser Acht lassen, dass sich die Kontraktion des Perikards über die weiteren Verbindungen auch auf die Nachbarorgane ausdehnen wird. Blockierungen der oberen Brustwirbel, Brustbein- und Rippendysfunktionen (Blutbildung!), Lungenprobleme, Unpässlichkeiten des Verdauungsapparates, Zwerchfelspannungen mit limitiertem Atemmuster, Spannungen in den Blutgefäßen*, Blutdruckprobleme (via Barorezeptoren), Herzstolpern, Arrhytmien, Durchblutungsprobleme bis hin zu Schilddrüsenproblemen, Ängsten und vielen anderen Aspekten des autonomen Nervensystems können vom Perikard ausgehen.

Aus der Pränatal-Forschung ist bekannt, dass die meisten Irritationen die über die Nabelschnur direkt ins Herz fließen, hier die erste Prägung hinterlassen. Herz und Herzbeutel rücken deshalb mehr und mehr ins Zentrum des Interesses. Forschungen aus der Embryologie zeigen auf, wie sich die Entwicklung von Herz, Gesicht und Nervensystem gegenseitig beeinflusst. Irritationen oder Trauma resonieren dann in diesen 3 Regionen!

Stephen Porges trägt mit der Polyvagaltheorie maßgeblich zum Verständnis bei, er beschreibt die Regulationsmechanismen des 3-teiligen ANS (Sympathikus, vorderer und hinterer Vagus). Insbesondere dem ventralen „sozialen“ Vagus (Nucleus ambiguus), der unseren Kontakt zur Außenwelt moduliert widmet er (und wir BioDynamischen Therapeuten) viel Aufmerksamkeit: Hier spielt ebenfalls der Gesichtsausdruck und auch die Art, wie wir die menschliche Stimme wahrnehmen (M. stapedius) eine wichtige Rolle.
Dieses entwicklungsgeschichtlich jüngste System kann die älteren Kampf-und Fluchtmechanismen besänftigen und regulieren. Daraus ergeben sich in der Therapie des ANS auch bei Entwicklungstrauma und Pränatalen Prägungen neue Wege.

Die BioDynamik hat hier ihre Domäne: Die Kardiopathie ist die biodynamische Arbeit mit Blut, Blutgefäßen, Herz und Perikard. Das gesprochene Wort kann die Spannungen im M. stapedius modulieren: Der Klient beginnt wieder neu zu hören und bekommt ein tiefes Gefühl von Sicherheit. Das Herz und Perikard beginnen sich zu entspannen und senden andere Signale an den Vaguskomplex. Die Arbeit mit den Pharyngealbögen im Gesichtsbereich sprich ganz direkt den sozialen Vagus an und die Klienten erleben wie sich ihre natürliche Schönheit wieder im Gesicht ausdrücken kann. Wir beobachten dabei, wie sich vorgeburtliche und andere Prägungen und häufig sogar als orthopädische Dysfunktionen! klassifizierte Symptome wieder regulieren lassen*.

Bei Auditorium Netzwerk gibt es übrigens gerade (Stand Dez. 2014) eine sehr empfehlenswerte und umfassende Einführung in Porges Polyvagaltheorie auf DVD, zu einem sagenhaft günstigen Preis.